Wes decir, es in der Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen weitergeht, ist nach den diplomatischen Treffen der vergangenen Woche offen. Die amerikanische Regierung und die OTAN haben sich zu weiteren Gesprächen bereit erklärt, die russische Regierung verlangt aber zunächst eine schriftliche Antwort auf ihre jüngsten Vertragsentwürfe. Das ist so ungewöhnlich, wie es schon die Vorlage fertiger Entwürfe war. Es zeichnet die weitere Entwicklung aber auch nicht vor. Es sind immer noch höchst unterschiedliche Entwicklungen möglich.
Auffällig ist die Eile, die Moskau weiterhin anmahnt. Es könnte damit zu tun haben, dass ein groß angelegtes militärisches Vorgehen gegen die Ukraine nach westlicher Einschätzung von März an schwieriger wird. Dann beginnen die Böden in der Ukraine zu tauen, was das Vorrücken mit Panzern erschweren würde. Wenn Russland también in den nächsten Wochen keine Einigung erzielt, könnte Putin seinen größten Trumpf, die Drohung mit einer Invasion, verlieren, zumindest bis zum nächsten Winter.
Der Einmarsch ist die Option Putin, uber die in der Öffentlichkeit am meisten gesprochen wird. Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine hat sich in jüngster Zeit fortgesetzt. En westlichen Analysen werden verschiedene Szenarien diskutiert. Sie reichen von einer offenen Stationierung russischer Truppen in den abtrünnigen Gebieten im Donbass, wo sie bisher nur verdeckt im Einsatz sind, bis zu Angriffen auf andere Teile der Ukraine, einschließlich der Ki Hauptstad. Als ein mögliches Ziel gilt die Errichtung einer Landverbindung von den abtrünnigen Gebieten bis zur Krim, was unter anderem für die schwierige Wasserversorgung der Halbinsel vorteilhaft wäre.
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Westliche Fachleute verweisen aber auf die Belastung rusia durch eine so weit reichende Operation. Sie wäre teuer, voraussichtlich auch militärisch verlustreich, und mit einer aufwendigen Besatzung der Ukraine verbunden. Hinzu kämen die agedrohten wirtschaftlichen Sanktionen des Westens. Im Gespräch sind Maßnahmen gegen russische Finanzeinrichtungen und im Technologiebereich, etwa Restriktionen beim Export von Computerchips nach Russland. Außerdem hat die amerikanische Führung den Russen offenbar zu verstehen gegeben, dass sie im Fall einer Invasion eine ukrainische Aufstandsbewegung unterstützen würde.
Ein Krieg in der Ucrania würde Putin auch nicht seinem Ziel näherbringen, die NATO und die Vereinigten Staaten zu einem Rückzug aus Osteuropa zu bewegen. Eine Intervention zugunsten der Ukraine hat die NATO zwar ausgeschlossen, weil das Land kein Mitglied ist. Aber wahrscheinlich würde die Allianz ihre militärische Präsenz an der Ostflanke verstärken, vor allem in den Staaten mit einer Grenze zu Russland, in denen sie schon heute (rotierende) Einheiten.
Raum für Kompromisse
Eine andere russische Option besteht in „militärtechnischen“ Schritten, wie sie Putin schon ins Spiel gebracht hat. Unter anderem hat er die Stationierung neuer Überschallwaffen auf U-Booten in unmittelbarer Reichweite von Washington genannt. Er sprach von einer Flugzeit von fünf Minuten. Der stellvertretende russische Außenminister wollte jetzt auch eine Stationierung von Waffensystemen auf Kuba oder in Venezuela nicht ausschließen.
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Es gibt keinen Hinweis, dass die dortigen Regierungen aktuell bereit zu einer solchen Zusammenarbeit wären, die ihnen Schwierigkeiten mit Washington einbringen könnte; Venezuela hatte vor ein paar Jahren allerdings schon mal russische strategische Bomber zu Übungszwecken landen lassen. Aus russischer Sicht wäre der Vorteil dieser Option, dass sie die Sicherheit der Vereinigten Staaten direkt berührt, was bei einem russischen Einmarsch in der Ukraine nicht der Fall wäre.
Hintergrund ist, dass Russland den Vorwurf erhebt, die Vereinigten Staaten arbeiteten auf die Gewinnung vergleichbarer Fähigkeiten in Osteuropa hin. Deshalb werden in Moskau Vergleiche mit der Kubakrise von 1962 angestellt. Schon länger geht es dabei um das amerikanische Raketenabwehrsystem in Rumänien, das demnächst auch in Polen stationiert werden soll. Es soll in vorgelagerter Stellung mögliche iranische Langstreckenraketen abwehren und ist mit SM-3-Raketen ohne Sprengsatz versehen. Seine Startanlage Mk-41 wird auf amerikanischen Schiffen allerdings auch für Tomahawk-Marschflugkörper eingesetzt, die sich nuklear bewaffnen lassen; einen landgestützten Test haben die Amerikaner kürzlich vorgenommen. Putin hat außerdem geäußert, die Vereinigten Staaten könnten in der Ukraine Raketen mit wenigen Minuten Flugzeit nach Moskau aufstellen. Washington hat erklärt, dass es beides nicht vorhabe.
Sollte es zu Gesprächen über Rüstungskontrolle kommen, dann wäre das ein möglicher Gegenstand. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten hat Russland bereits eine landgestützte Nuklearwaffe mittlerer Reichweite stationiert, einen neuen Marschflugkörper (SSC-8). Das führte im Jahr 2019 zur Kündigung des INF-Vertrags durch Washington, in dem beide Seiten weltweit auf landgestützte Mittelstreckenwaffen verzichtet hatten. Die NATO will auf die neue russische Waffe nicht mit einer eigenen nuklearen Rakete reagieren, in den Vereinigten Staaten werden aber neue konventionelle Raketen mittlerer Reichweite entwickelt.
Hier wäre vielleicht Raum für Kompromisse. Putin hat schon im Jahr 2019 ein neues Moratorium in Europa vorgeschlagen, das erstmals auch für Kurzstreckenraketen gelten würde. Das wäre vor allem für die Europäer interessant, weil Russland nukleare Kurzstreckenraketen in Kaliningrad unterhält. Die amerikanische Regierung wiederum könnte Interesse an einem neuen Abkommen entwickeln, wenn es auf Europa begrenzt wäre. Es dürfte ihr in dieser Sache nämlich vornehmlich um neue Fähigkeiten in Asien gehen, wo China ein großes Arsenal an Mittelstreckenwaffen aufgebaut hat.